Wirtschaftssförderungsorganisaton ohne Standortanalyse – das geht nicht

Können Aufgaben und Stellen einer Wirtschaftsförderung ohne faktenbasierte Standortanalyse definiert werden? Dr. Thomas Birner, Geschäftsführer der LennardtundBirner GmbH – Beratung für Wirtschaftsförderung, sagt: Ohne Kenntnis der Kompetenzen des Standorts ist keine passgenaue Unterstützung möglich.

Wie werden Stellen in Wirtschaftsförderungen definiert?

Es ist nicht selten, dass für Stellenpläne und Aufgaben von Wirtschaftsförderungs-Organisationen andere Wirtschaftsförderungen zum Vergleich herangezogen werden. Das ist auf die Einwohner:innenzahl bezogen auf jeden Fall eine Kenngröße. Doch die Ausgestaltung der einzelnen Aufgaben macht den Unterschied. Angenommen, Sie sind ein internationaler Player im Kompetenzfeld Wasserstoff. Dann ist es notwendig, auch die Wirtschaftsförderung mit internationaler Kompetenz auszustatten, zum Beispiel zu internationalen Förderprogrammen. Ganz anders würde es aussehen, wenn Ihr Schwerpunkt die Ernährungswirtschaft ist.

Manchmal ist die Ausgestaltung der Aufgaben ausschließlich das Ergebnis aus Workshops mit Standortakteur:innen. Hier besteht die Gefahr, dass Organisation nach Meinung beschlossen wird, also nach dem was man meint zu sein. Es werden dann Resssourcen in zum Beispiel die Tourismusvermarktung gesteckt, obwohl Tourismus am Standort keine große Rolle spielt. Solche Entscheidungen haben keinen Effekt für die Zukunft des Standorts. Erkennbar sind unklare Standortbestimmungen auch an Claims wie „In der Mitte Europas“ oder „Von Handwerk bis High Tech“.

Wieso sind Wirtschaftsförderungen oft nur Ein-Frau/Mann-Organisationen?

In Zeiten verschärften globalen Wettbewerbs, in der die Unterstützung von Unternehmen eine immer größere Rolle spielt, spielt kommunale Wirtschaftsförderung eine immer noch untergeordnete Rolle. Die Budgets, die für Standortstrategien zur Verfügung gestellt werden, sind ein Bruchteil der Gelder, die zum Beispiel in Innenstadtprogramme fließen. Dabei wirkt der wirtschaftliche Erfolg eines Standorts immer auf seine Attraktivität, denn ohne Gewerbe- und Einkommensteuer hat eine Kommune schlicht weniger Geld zur Verfügung. Die Kaufkraft aller Beschäftigten wirkt positiv auf die Innenstadt. Somit ist dieser Hebel zur Steigerung der gesamten Wirtschaftskraft am stärksten.

Macht denn eine eigene Wirtschaftsförderung für jede Kommune Sinn?

Nein. Es macht oft sehr viel mehr Sinn, zusammen zu agieren. Zum Beispiel bei interkommunalen Gewerbeflächenkonzepten, einem überregionalen Standortmarketing oder bei Innovations- und Gründerthemen. Kompetenzen zur Unternehmensbetreuung haben viel mehr Wirkungskraft, wenn sie gebündelt werden. 

Welcher Weg ist Ihrer Meinung nach der richtige für eine Organisationsaufstellung in der Wirtschaftsförderung?

Richtig machen es Standorte, die erst genau analysieren und dann über diese Analyse zu spezifischen, fokussierten und priorisierten Aufgabenstellungen kommen, um dann dafür eine passende Organisation abzuleiten. Auch wenn das länger dauert, es zahlt sich immer aus. Es ist essenziell, die wirtschaftlichen Kernkompetenzen eines Standorts zu analysieren und zwar nicht nur auf Basis von Workshops oder Umfragen, sondern vor allem auf Basis von Zahlen und Fakten, und daraus konkrete Handlungsbedarfe für die Wirtschaftsförderung abzuleiten. Erst dann ist eine eindeutige Ausrichtung der Wirtschaftsförderungs-Organisation möglich.