Winterberg: Strategieprozess ist die Chance, in einer Gesamtmarke zu denken

Winfried Borgmann, Geschäftsführer der Winterberg
Touristik und Wirtschaft GmbH

Die Stadt Winterberg im Hochsauerland steht für Wintersport, Weltcuprennen im Bobfahren und Rodeln, ist Naherholungsgebiet der Menschen in Nordrhein-Westfalen und heilklimatischer Kurort. Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH Winfried Borgmann, warum Winterberg eine Strategie für den gesamten Wirtschaftsstandort beauftragt hat und welche Erkenntnisse die Verantwortlichen aus dem Strategieprozess gewonnen haben.

Herr Borgmann, wie charakterisieren Sie Winterberg?

Der Standort Winterberg ist in der Region ein Einzelgänger. 24 Prozent unserer Beschäftigten waren 2017 im Gastgewerbe tätig, das ist sehr viel. Sie können sich vorstellen, dass der Leidensdruck durch den coronabedingten Lockdown bei uns besonders hoch ist, denn viele andere Unternehmen hier – Einzelhandel, Dienstleister, Handwerk – sind mit dem Tourismus verbunden.

Welche Bedeutung hat die klassische Wirtschaftsförderung in Winterberg?

Wirtschaftsförderung im Sinne von touristischer Unterstützung gibt es seit Winterberg Kurort wurde, seit den 50er Jahren. 1999 wurde erstmals ein Wirtschaftsförderer benannt, der sich als Ansprechpartner der Unternehmen um die klassischen Wirtschaftsförderungsthemen kümmerte. Damals rückte „die andere Wirtschaft“ mehr in den Fokus. Zur Jahrtausend-Wende wurde unter dem damals neuen Bürgermeister die Wirtschaftsförderung im Fachbereich Tourismus angesiedelt. Ziel war, Tourismus und Wirtschaftsförderung zusammen zu denken. 2010 wurde der Fachbereich als Winterberg Touristik und Wirtschaft GmbH ausgegliedert. Wobei die Mitarbeiter:innen, die bei mir für touristische Themen und die Zielgruppe Gäste arbeiten, bei weitem überwiegen.

Sie haben dennoch einen Strategieprozess für den Gesamtwirtschaftsstandort in Auftrag gegeben. Wie kam es dazu?

Im Rahmen der Tourismuskonzepte 2005 und 2015 hatten wir einen großen Beteiligungsprozess, bei dem bereits Teile der außertouristischen Wirtschaft – Dienstleister, Handwerker, Einzelhandel – einbezogen waren. Diese Prozesse zeigten, dass ein strukturiertes Vorgehen wichtig ist und wir so auch für die Gesamtwirtschaft denken müssen, um den exakten Betreuungsbedarf in der Wirtschaftsförderung abzuleiten.

Wie haben Sie die erste Phase der Strategie, die faktenbasierte Analyse, erlebt?

Hinter der Faktenanalyse, die Jörg Lennardt präsentiert hat, steckt meiner Meinung nach ein unglaubliches Fachwissen. Diese dann so verständlich in Zahlen und Grafiken aufzubereiten, dass man in aller Ernsthaftigkeit Schlüsse ziehen kann und weiß, wo man anpacken muss, das war schon sehr gut. Winterberg hat hier im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen runtergelassen. Beeindruckt haben mich auch die fundierten Ergebnisse der Expertengespräche und der Unternehmensbefragung. Hier ist Projektleiter Jörg Lennardt in die Tiefe gegangen. Das war für uns ein riesiger Gewinn.

Welche Schlüsse können Sie ziehen?

Es gab einige Zahlen, zum Beispiel zu den Kindertagesstätten, die haben überrascht. Die Analyse bezog sich ja nicht nur auf die Wirtschaftskennzahlen, sondern bildete auch Zahlen zu Wohnen und sozialen Themen ab, war also Wirtschafts- und Sozialraumanalyse in einem. Weniger überrascht war ich von den Anforderungen der Unternehmen. Vielmehr war mir wichtig zu sehen, wo sind die Schwerpunkte, die mit den vorhandenen Ressourcen unbedingt angegangen werden müssen. Es passiert ja schon viel, wir und unsere Partner sind sehr bemüht. Aber was muss ich hier vor Ort an Knowhow bündeln und koordinieren, wo müssen wir Zeit und Budget reinstecken und welches Pferd sollten wir nicht weiter zu Tode reiten – das war für mich der wichtige Erkenntnisgewinn. Wir können nicht alle Erwartungen erfüllen, aber wir können auf Basis der Erkenntnisse politisch darüber sprechen, was müssen wir anpacken. Momentan leiten wir mit LennardtundBirner Projekte ab, die wir in den kommenden zehn Jahren leisten können und müssen, zum Beispiel die Stärkung unserer wissensintensiven Dienstleistungen.

Wie spielt dies mit dem Tourismus zusammen?

In vielerlei Hinsicht. Zunächst kommt unsere touristische Infrastruktur nicht nur Gästen zugute, sondern zahlt auf die Lebensqualität der für uns interessanten Fachkräfte ein. Wir müssen ihnen deutlich machen: Ihr findet hier spannende Arbeitsplätze und könnt gut leben. Wo könnt ihr besser kreativ sein als an der „zertifizierten“ Luft? Dann kommen Produkte der wissensbasierten Unternehmen auch dem Tourismus zugute. Hierauf wollen wir noch mehr Fokus legen. Und wir müssen Fachkräfte-Ansprüche und touristische Ansprüche zusammen denken. Die Analyse hat zum Beispiel gezeigt: Unser Wohnungsmarkt ist durch Ferienwohnungen verknappt. Wie schaffen wir hier Lösungen. Letztlich hängt alles zusammen. Der Strategieprozess hat uns die große Chance gegeben, in definierten Projekten Themen noch mehr und intensiv zu verknüpfen und in der Gesamtmarke Winterberg zu denken.

Das LennardtundBirner-Strategieangebot zu Wirtschaft und Tourismus
Das LennardtundBirner-Angebot zur faktenbasierten Analyse