Mehr Profilierung bei kommunalen Strategien und Förderprogrammen

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Wie wirken Fördermittel nachhaltig und wie evaluieren Regierungen den Erfolg? Wir sprachen darüber mit Dr. Michael Henze, Leiter der Abteilung Wirtschaftsförderung im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen.

Herr Henze, die LennardtundBirner-Umfrage unter den deutschen Wirtschaftsförderungen ergab, dass 82 Prozent der Antwortenden keine Fördermittel für Innovationsthemen in der Standortentwicklung nutzen. Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis und wie kann es Ihrer Ansicht nach verbessert werden?


Vielleicht liegt es daran, dass die kommunalen Wirtschaftsförderungen selbst gar keine Innovationen hervorbringen können, sondern vielmehr die Unternehmen in ihrer Kommune. Beim EFRE (Europäischer Fonds für regionale Entwicklung)-Förderaufruf Regio.NRW, der sich vor allem in Sachen Wissens- und Technologietransfer an Projekte der Regionen und Kommunen in Nordrhein-Westfalen richtet, war das zur Verfügung stehende Mittelvolumen mehr als doppelt überbucht, so dass die Jury bei der Auswahl der besten Projekte eine strenge Auswahl treffen musste.
Aber allgemein gilt: Beim Bürokratieabbau, bei Vereinfachung, Digitalisierung und Beschleunigung, gerade bei der Innovationsförderung, sehe ich den wichtigsten Hebel für noch mehr Breitenwirkung – im EFRE aber auch in Landesprogrammen.


Warum richten sich Förderthemen immer nach Trendthemen? Es besteht dann die Gefahr, dass Fördermittel abgegriffen werden, die gar nicht zu einem Wirtschaftsstandort passen und nicht langfristig verstetigt werden.


Bei Treffen der Wirtschaftsministerien von Bund und Ländern fallen schon gewisse Modethemen auf, wie vor ein paar Jahren die Förderung der Kreativwirtschaft, die plötzlich in allen Ländern gleich wichtig wurde. Und seit einigen Jahren sprechen wir weniger von Gründungen, sondern vor allem von digitalen Start-ups. Das hat zwar seine Begründung, aber in Köln natürlich anders als im Sauerland.


Wirtschaftsministerin Mona Neubaur hat vor ein paar Monaten an die Adresse der Regionen in Nordrhein-Westfalen sinngemäß gesagt: Schreibt bei euren regionalen Entwicklungskonzepten, die Grundlage für eine Förderung sind, nicht alle voneinander ab und schreibt nicht alle dasselbe auf, von dem ihr meint, wir im Land wollen es gerade hören. Sondern schreibt auf, was eure wirklich spezifischen Stärken und Schwächen sind. Die Stärken wollen wir ausbauen und die Schwächen wollen wir beheben. Dabei gilt der Grundsatz: Keine wirklich gute und innovative Idee darf an der Förderung scheitern.


Wer die Standortstrategien von Kommunen betrachtet, dem fällt schon auf, dass sich alle Städte und Kreise gleichermaßen im Zentrum Deutschlands und Europas sehen, im Schnittpunkt alter Handelsstraßen oder als Hafenstädte, dass sie heimliche Weltmarktführer beherbergen und vom Großunternehmen bis zur kleinen Handwerkerin eine große Breite von Unternehmen aufweisen. Das ist zwar alles irgendwie richtig, aber auch ziemlich beliebig. Mehr Profilierung tut Not – bei den kommunalen Strategien, aber natürlich auch bei der Förderung.


Die Regierungen haben nach Corona Millionen in Förderprogramme, zum Beispiel für die Innenstädte gesteckt. Wie werden die Maßnahmen evaluiert?


Evaluierungen schreibt uns grundsätzlich bereits die Landeshaushaltsordnung vor. Der gesamte EFRE in Nordrhein-Westfalen wird aufgrund von Vorgaben der EU-Kommission regelmäßig intensiv hinsichtlich seiner Wirkungen und Verfahren untersucht – und zwar durch externe Gutachter:innen. Aus dem EFRE fördern wir allerdings nur zu einem kleinen Teil Städtebauprojekte. Was unsere Beratungsangebote für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen anbetrifft, so sind sie überaus intensiv genutzt worden. Auch die Corona-Hilfen selbst werden von Bund und Ländern evaluiert, schon damit Politik und Verwaltung daraus für künftige Krisenlagen lernen.


Förderthemen sind meist begrenzt und verfolgen keinen gesamtheitlichen wirtschaftlichen Ansatz. Wieso ist das so?


Vordergründig mag das so wirken. Weil das Ressortprinzip gilt und auch innerhalb der Ministerien unterschiedliche Arbeitseinheiten für die verschiedenen Fördermaßnahmen zuständig sind. Aber es ist nicht so, dass wir in der Regierung nicht miteinander sprechen. Was den EFRE anbetrifft, so mussten und müssen in vielen Fällen integrierte Handlungskonzepte als Voraussetzung für eine Projektförderung erarbeitet und vorgelegt werden. Auch in der Städtebauförderung ist das so. Das ist der Versuch, Einzelprojekte in einen größeren Rahmen zu stellen. Auch das bleibt natürlich nicht ohne Kritik: Je mehr Gutachten, Bescheinigungen und Voraussetzungen für eine bestimmte Förderung beizubringen sind, desto unbeliebter macht sie sich natürlich bei den Antragstellern und Nutzern. Wir rufen dann regelmäßig in Erinnerung, dass es sich um Steuergelder der Unternehmen und Bürgerinnen und Bürger handelt, die die öffentlichen Hände nicht einfach freihändig verteilen dürfen, sondern für die gewisse Maßstäbe und Voraussetzungen zwingend eingehalten werden müssen.


Warum werden zu wenige nachhaltige, strategische Ansätze gefördert, die eine klare Faktenbasis fordern?


Ihre Frage ist mir zu pauschal. Bei der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ (GRW) hat die Nachhaltigkeit im Zuge der jüngsten, sehr grundlegenden Reform als zusätzliches Förderkriterium Eingang gefunden. Das hat die GRW strategischer, aber auch etwas komplexer gemacht. Und im EFRE ist die nachhaltige Entwicklung immerhin eines von drei Querschnittszielen. Gleichstellung und Nichtdiskriminierung sind die beiden anderen. Bei der Bewertung der Qualität von Förderanträgen werden sie alle abgeprüft und gewichtet.

Ansonsten gilt: Neuartige Herausforderungen, denken Sie an die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie oder des russischen Angriffs auf die Ukraine für unsere Energieversorgung, erfordern neue politische Instrumente. Das mag dann im Rückblick weniger strategisch und nachhaltig gewesen sein, aber es war leider super eilig und bitter notwendig. Da konnten wir in Bund und Ländern nicht erst wohl abgewogene Strategien schreiben, sondern da mussten wir innerhalb von wenigen Tagen handeln. Damit allein waren wir vollständig ausgelastet. Aber wie ich schon sagte: Wir schauen uns alle Prozesse im Nachhinein an, evaluieren sie und werden daraus unsere Schlüsse ziehen.


Warum werden Kommunen gefördert, welche die Maßnahmen aufgrund von Haushaltsaufsicht nicht umsetzen und verstetigen können? Wie können Förderthemen Ihrer Meinung nach nachhaltig verstetigt werden?


Zunächst einmal: Wer eine Bewilligung bekommt, muss die Gesamtfinanzierung sicherstellen und die zugehörige Maßnahme auch umsetzen, sonst müssten wir ja die Fördergelder zurückfordern. An wünschenswerter Verstetigung fehlt es aber bisweilen. Vielfach wird darüber geklagt, dass Projektförderungen immer nur auf wenige Jahre befristet sind und gerade nicht in eine institutionelle Förderung übergehen dürfen. Förderung kann und soll in den allermeisten Fällen nur einen hilfreichen Anstoß geben. Die Hürden für eine institutionelle Förderung sind zu Recht sehr hoch. Dann könnte man besser gleich die Zuweisungen des Landes an die Kommunen erhöhen. Es führt also kein Weg an langfristig soliden Kommunalfinanzen und einem ordentlichen Wirtschaften innerhalb der kommunalen Haushalte vorbei. Im Übrigen liegen die Projektfördersätze für Kommunen oft bei 90 Prozent, in Einzelfällen auch mehr. Das ist nicht wenig und viel mehr, als wir bei Unternehmen geben können.